YES BABY !
Oh Baby...
No Baby.
SOSE 2025
h_da, fbg
h_da, fbg
Diplomarbeit Fotografie
Sarah Ginnane
Betreut durch Robin Hinsch, h_da
Kondome und Erotikzeitschriften sind längst in jedem Supermarkt erhältlich – ja, sogar Sexspielzeug gibt es inzwischen in Drogerien. Müsste das nicht bedeuten, dass wir in einer Gesellschaft angekommen sind, die akzeptiert und toleriert, dass Sex nicht nur ein Mittel zum Zweck (nämlich zur Fortpflanzung) ist, sondern auch dazu dient, Lust, Begierde und einfaches Vergnügen zu stillen?
Doch Sex beginnt eben nicht erst mit dem Ausziehen der Kleidung und endet nicht mit dem Wiederanziehen. Vorher sollte unter anderem die Frage geklärt werden, welche Verhütungsmethode genutzt wird, wenn der Akt ausschließlich dem Vergnügen dient.
Dazu sollte jede*r wissen:
Keine bisher existierende Verhütungsmethode schützt zu 100 % vor einer ungewollten Schwangerschaft.
Und danach? Danach verstummen die Gespräche. Danach schauen viele weg. Denn dann kann es oft um Themen wie ungewollte Schwangerschaften gehen – und weiter noch um Abtreibung. In viel zu vielen Fällen wird die Frau* dann alleine gelassen.
Obwohl doch immer mindestens zwei dazu gehören …?
Warum ist das so? Warum akzeptieren wir, dass Sex aus Lust und ohne Kinderwunsch gesellschaftlich anerkannt ist, aber nicht die Konsequenz, dass jede Verhütung versagen kann? Bedeutet das, dass die Gesellschaft – unabhängig von den Umständen – erwartet, dass jede Schwangerschaft ausgetragen wird?
Viele entscheiden sich bewusst für ein ungeplantes Kind. Aber was ist mit denen, die es nicht schaffen, die es nicht können, die es nicht wollen? Schwangerschaftsabbruch ist für niemanden ein schönes Thema.
Und doch ist es da. Es betrifft unzählige Menschen. Schweigen und Verbote sind keine Lösung – sie verschärfen das Problem. Schwangerschaftsabbrüche hat es immer gegeben, und es wird sie immer geben.
Man muss keine Pro-Abtreibungs-Haltung haben, aber eine Pro-Choice-Haltung. Kein Mensch und kein Gesetz wird verhindern können, dass Abtreibungen stattfinden.
Warum also machen wir es Betroffenen noch schwerer, als es ohnehin schon ist? Warum verurteilen wir? Warum schauen wir weg? Warum schweigen wir? Warum akzeptieren wir, dass Abtreibung in Deutschland immer noch illegal ist? Wäre die Situation dieselbe, wenn Männer Kinder austragen würden?
Diese Arbeit zielt darauf ab, die komplexen Facetten des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland umfassend zu beleuchten. Die künstlerische Arbeit dient hierbei nicht nur als Illustration, sondern als eigenständige, visuelle Auseinandersetzung, die die emotionalen und gesellschaftlichen Dimensionen des Themas greifbar macht. Das übergeordnete Ziel ist es, Tabus zu brechen, eine informierte Debatte anzustoßen und die Selbstbestimmung der Frauen* zu stärken, indem das Schweigen durch Sprechen ersetzt wird und die unsichtbaren Kämpfe von Betroffenen und Fachkräften sichtbar werden.
*Ein Hinweis zur Sprache*
In meinen Texten verwende ich die Begriffe „Mann“ und „Frau“, obwohl ich mir der Tatsache bewusst bin, dass nicht nur cis-Frauen schwanger werden können. Die bewusste Wahl dieser binären Formulierungen soll gerade auf die Geschlechterrollen aufmerksam machen, die gesellschaftlich konstruiert und durch medizinische, rechtliche und kulturelle Institutionen zementiert werden – Rollen, die das Tabu rund um den Abbruch sowie die damit verbundenen Missstände erst ermöglichen und verstärken. Mit dieser Zuspitzung möchte ich genau diese Strukturen sichtbar machen und kritisch hinterfragen.
Sechs der zentralen Missstände in Deutschland:
Im Rahmen meiner Recherche bin ich auf sechs zentrale Missstaende gestoßen, die – trotz juristischer Anpassungen und einer zunehmend liberaleren Haltung der Gesellschaft in Fragen von Sexualitaet und reproduktiven Rechten – im Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland weiterhin bestehen. Diese Problemlagen lassen sich zwar noch weiter differenzieren, doch meiner Ansicht nach lassen sie sich auf sechs grundlegende Säulen zurückführen. Sie betreffen nicht nur ungewollt Schwangere, sondern auch Aerztinnen sowie die Gesellschaft insgesamt und haben weitreichende Auswirkungen auf medizinische Versorgung, rechtliche Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe.
Stigmatisierung und Isolation
Kriminalisierung
Religiöse Einflussnahme
fehlende (medizinische) Aufklärung
Romantisierung von Mutter- und Schwanagerschaft
fehlende Gleichberechtigung
Nach jedem Thema wird das jeweils passende Bild meiner Fotodiplomarbeit präsentiert, zusammen mit den Texten, die auf den ausgelegten Karten der Ausstellung zu lesen sind.
Ein Schwangerschaftsabbruch hinterlässt nicht nur körperliche Spuren.
Er bringt Stille mit sich.
Nicht die Entscheidung verletzt,
sondern das, was danach kommt:
das Schweigen.
Scham, die von außen kommt.
Isolation, genährt von Tabus.
Wer spricht, riskiert Ablehnung.
Wer schweigt, bleibt allein.
Nicht mehr gesehen werden –
und sich selbst verlieren im Nicht-mehr-Sein.
Nichts falsch – aber unsichtbar gemacht.
Frauen und alle Personen, die von einer Schwangerschaft betroffen sind, werden gesellschaftlich häufig auf ihre Rolle als potenzielle oder tatsächliche Mütter reduziert. Von ihnen wird erwartet, dass sie Mutterschaft als natürliche Bestimmung akzeptieren. Wer sich dagegen entscheidet, wird oft als „unweiblich“, egoistisch oder als Abweichung von traditionellen Rollenbildern wahrgenommen.
Sozialwissenschaftliche Studien und Umfragen zeigen, dass zwar ein großer Teil der Bevölkerung Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich unterstützt, das Thema im persönlichen Umfeld aber selten offen angesprochen wird. Häufig wird es als private Angelegenheit behandelt. Die Medienberichterstattung ist oft sensationalistisch oder konzentriert sich auf politische Kontroversen, anstatt sachlich und einfühlsam aufzuklären. Ein Beispiel dafür ist die Politikerin Annalena Baerbock, die wiederholt gefragt wurde, wie sie Familie und politisches Amt vereinbaren wolle – eine Frage, die männlichen oder queeren Politiker*innen in dieser Form kaum gestellt wird. Menschen, die von traditionellen Geschlechterrollen abweichen, stoßen daher häufig auf Unverständnis und gesellschaftliche Ablehnung.
Ein Schwangerschaftsabbruch wird selten als selbstbestimmte Entscheidung anerkannt, sondern häufig als moralisches Versagen bewertet. Viele Betroffene trauen sich aus Angst vor Ablehnung, Verurteilung oder sozialer Ausgrenzung im Freundes-, Familien- oder Arbeitsumfeld nicht, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Diese Zurückhaltung kann erhebliche psychische Belastungen verursachen, wie Angstzustände, Schuldgefühle, Isolation oder das Gefühl des Ausgeschlossenseins
Der §218 stellt den Abbruch einer Schwangerschaft
unter Strafe – für Ärzt*innen wie für Schwangere.
Er verankert Misstrauen ins Gesetz.
Zweifelt an der Urteilskraft der Frau*.
Gibt dem Staat das Recht,
in ihr Innerstes einzugreifen.
Der Mann*? Hat seinen Teil beigetragen –
und geht.
Die Frau* bleibt zurück – ihr sind die Hände gebunden.
mit Verantwortung, mit Konsequenzen,
mit der „Schuld“.
Sie wird kriminalisiert.
Sie wird kontrolliert.
Ihr wird gezeigt:
Man(n) traut ihr nicht.
Im Zentrum der Kritik steht die massive Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts: Die derzeitige Gesetzeslage zum Schwangerschaftsabbruch schreibt dem Staat das Recht zu, in eine höchstpersönliche und intime Entscheidung einzugreifen. Das bedeutet, dass Menschen, die ungewollt schwanger sind, nicht vollständig über ihren eigenen Körper bestimmen dürfen.
Besonders problematisch ist dabei, dass der § 218 StGB ausschließlich Schwangere und Ärztinnen betrifft – nicht jedoch die Männer, die zur Entstehung der Schwangerschaft beigetragen haben. Diese einseitige rechtliche Regelung führt zu einer strukturellen Ungleichbehandlung und vermittelt den Betroffenen das Gefühl, nicht als mündige, eigenverantwortliche Personen anerkannt zu werden.
Selbst wenn ein Schwangerschaftsabbruch unter den vorgesehenen Bedingungen straffrei bleibt, erzeugt die Einordnung im Strafrecht Schuldgefühle, Scham und das Gefühl, etwas moralisch Verwerfliches zu tun. Die Folge ist eine ausgeprägte Tabuisierung – im sozialen Umfeld ebenso wie im Kontakt mit medizinischem Personal. Viele Betroffene erleben die gesetzlich vorgeschriebene Beratung daher nicht als Unterstützung, sondern als Kontrolle oder moralische Bewertung.
Juristinnen, Menschenrechtsexpertinnen und Organisationen für reproduktive Gesundheit kritisieren diese Situation seit Jahren. Sie fordern, Schwangerschaftsabbrüche vollständig aus dem Strafrecht zu streichen und stattdessen im Gesundheitsrecht zu regeln – als Teil einer normalen medizinischen Versorgung.
Wenn Kirchen sich in politische Debatten einmischen,
sprechen sie von Moral –
aber nicht von Verantwortung.
Sie urteilen, aber begleiten nicht.
Stellen Fragen, aber geben keine Antworten.
Sie romantisieren die Geburt,
und ignorieren das Leben danach.
So wird die Debatte um ungewollte Schwangerschaften verklärt,
verhüllt in einem romantischen Schleier,
der die raue Wirklichkeit weder benennt noch begreift.
Und stellen die Frau* hinten an,
als zähle ihr Leben weniger als das ungeborene.
insbesondere der katholischen Kirche
Religiöse Überzeugungen, besonders die der katholischen Kirche, prägen bis heute den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen. Vor allem in Bundesländern mit starker katholischer Tradition wie Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beeinflusst diese Haltung direkt Gesetzgebung und Versorgung. Die Kirche lehnt Schwangerschaftsabbrüche weitestgehend ab und beruft sich auf den Lebensschutz, während das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen kaum berücksichtigt wird. In vielen Landkreisen fehlen entsprechende Angebote, sodass Betroffene oft weite Strecken zurücklegen müssen. Diese Versorgungslücken hängen eng mit dem Einfluss konservativer und religiöser Akteure zusammen, die Reformen blockieren und den Zugang erschweren.
Religiöse Stimmen tragen zudem stark zur Emotionalisierung und Moralisierung des Diskurses bei. Schwangerschaftsabbrüche werden oft nicht als gesundheitliche oder rechtliche Entscheidungen, sondern als moralische Verfehlung oder ethisches Verbrechen dargestellt. Das erschwert sachliche Gespräche und eine realistische Auseinandersetzung mit dem Thema.
Für Betroffene bedeutet das häufig Stigmatisierung und Ablehnung. Auch Ärztinnen und Ärzte stehen unter großem gesellschaftlichem Druck: Lebensschützer und religiöse Vereine organisieren Proteste und üben teilweise massive Einschüchterung aus. Dies führt zu Diffamierungen, moralischer Verurteilung und teilweise sogar Bedrohungen, die den Zugang zur medizinischen Versorgung weiter erschweren.
Die Verflechtung von Religion und Staat im Bereich der reproduktiven Rechte steht häufig in der Kritik. Es ist wichtig, Kirche und Gesetzgebung klar voneinander zu trennen. Dabei sollte der Staat eine neutrale Haltung einnehmen und gewährleisten, dass alle Menschen Zugang zu einer sachlichen, rechtlich abgesicherten und medizinisch hochwertigen Versorgung erhalten.
Obwohl Schwangerschaftsabbrüche zum Alltag gehören,
bleiben sie im medizinischen Lehrplan ein blinder Fleck.
Was Teil der Grundversorgung sein sollte,
wird ausgelagert – in Workshops, Papaya-Seminare,
in Räume außerhalb des Systems.
Ein häufiger Eingriff, behandelt wie ein Tabu.
So wird aus einem medizinischen Vorgang
ein politisches Minenfeld.
Die, die helfen wollen, sind schlecht vorbereitet.
Die, die Hilfe brauchen,
stehen vor Hürden, Risiken, Unwissen.
Und vor einem System, das wegsieht.
Trotz der Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland besteht ein erheblicher Mangel an umfassender Aufklärung – sowohl medizinisch als auch gesellschaftlich. Schwangerschaftsabbrüche sind kein verpflichtender Bestandteil der medizinischen Ausbildung, viele Ausbildungsstätten sind kirchlich geprägt, sodass der Eingriff oft nur am Rand behandelt wird und sich wenige Ärztinnen und Ärzte sicher fühlen, ihn durchzuführen. Ärztinnen und Ärzte müssen oft eigenständig Initiative zeigen und sich aktiv darum bemühen, in diesem Bereich gut informiert und ausgebildet zu sein. Für viele ist es jedoch einfacher, das Thema zu vermeiden – diese Haltung muss sich grundlegend ändern.
Hinzu kommt, dass die breite Gesellschaft nur wenig Wissen über das Thema Schwangerschaftsabbruch hat. Viele Menschen trauen sich deshalb nicht, offen darüber zu sprechen oder sich eine eigene fundierte Meinung zu bilden. Ohne ausreichende Aufklärung werden gesetzliche Regelungen und vorherrschende Meinungen oft einfach akzeptiert, ohne kritisch hinterfragt zu werden. Die Tatsache, dass Schwangerschaftsabbruch gesetzlich eingeschränkt oder verboten ist, führt bei vielen zu der Annahme, dass er automatisch falsch oder moralisch verwerflich sei. Dieses mangelnde Wissen und die daraus resultierende Tabuisierung verhindern eine offene und sachliche Auseinandersetzung und erschweren es sowohl den Betroffenen als auch der breiten Öffentlichkeit, informierte und selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen.
Auch der Sexualkundeunterricht greift das Thema meist nur oberflächlich auf, wodurch viele Jugendliche und junge Erwachsene unzureichend über ihre Rechte, die rechtlichen Rahmenbedingungen und medizinische Möglichkeiten informiert sind. Das führt dazu, dass Betroffene bei einer ungewollten Schwangerschaft oft überfordert sind und unter großem Zeitdruck eine weitreichende Entscheidung treffen müssen – oft ohne ausreichende Information, Beratung oder Unterstützung.
Schwangerschaft wird verklärt, Mutterschaft vergoldet –
ein Bild ohne Risse,
ein Ideal, das glänzt, aber blenden kann.
„Glückwunsch“ – noch bevor ein Wunsch geäußert wurde.
Als gäbe es nur einen richtigen Weg.
Hinter der Fassade: Angst, Zweifel, Überforderung.
Erfahrungen, über die kaum gesprochen wird.
Wer sich dagegen entscheidet,
muss sich erklären –
gegen ein Ideal, das keine Fragen stellt.
Die Gesellschaft liebt das Bild der Mutter,
doch nicht immer die Frau* dahinter.
Die romantische Vorstellung trägt das Symbol der blauen Blume –
schön, aber wirklichkeitsfern.
Sie macht Gefühle unsichtbar,
und stellt ein Ideal über die Realität.
Elternschaft ist für viele eine bereichernde und sinnstiftende Erfahrung – besonders Mutterschaft wird in der Öffentlichkeit oft mit Glück, Natürlichkeit und Erfüllung verbunden. Gleichzeitig entsteht ein idealisiertes Bild, das wichtige Aspekte wie Überforderung, Verzicht, fehlende Unterstützung oder individuelle Entscheidungswege häufig ausblendet.
Dieses Idealbild wird durch Medien, Werbung und gesellschaftliche Erzählungen verstärkt: Die „perfekte Mutter“, die scheinbar mühelos Familie, Beruf und persönliche Ansprüche vereint, prägt das öffentliche Verständnis von Mutterschaft. Auch politische Programme und Familienförderung orientieren sich oft an diesem traditionellen Rollenmodell und berücksichtigen alternative Lebensentwürfe oder andere Formen von Care-Arbeit nur begrenzt.
Viele körperliche, psychische und soziale Herausforderungen rund um Schwangerschaft und Mutterschaft werden wenig thematisiert. Erst in der Situation erfahren Betroffene von Wochenbettdepressionen, hormonellen Veränderungen oder emotionaler Überforderung. Diese Unsichtbarkeit verstärkt den Druck, bestimmten Erwartungen entsprechen zu müssen.
Für Menschen, die sich aus persönlichen, gesundheitlichen oder sozialen Gründen gegen eine Schwangerschaft entscheiden, ist es wichtig zu betonen: Diese Entscheidung ist legitim und selbstbestimmt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist keine Abweichung vom „richtigen Weg“, sondern eine verantwortungsvolle Wahl im Umgang mit dem eigenen Körper und der Lebenssituation.
Offen über solche Erfahrungen zu sprechen fällt vielen schwer, da gesellschaftlich wenig Raum für abweichende Erzählungen vom romantisierten Mutterbild bleibt. Deshalb ist es umso wichtiger, unterschiedliche Erfahrungen sichtbar zu machen – ohne moralische Bewertung und im Bewusstsein der Vielfalt von Lebensrealitäten.
Auf Frauen* lastet nach wie vor die stille Erwartung,
nicht nur Frau* zu sein, sondern auch Mutter.
Beruf, Status, eigener Wunsch – zweitrangig.
Sie ist zuerst Körper, später Person –
reduziert auf das Potenzial, Leben zu tragen.
Schwangerschaft – und ihr Abbruch – gelten als „Frauensache“,
ein Nebenthema, weichgezeichnet in Rosa,
verpackt in glitzernder Rhetorik.
Dabei geht es um physischen und psychischen Schmerz,
um Verantwortung, die geteilt gehört.
Was gemeinsam getragen werden müsste,
wird ihr auferlegt – allein.
Auch das System – gesellschaftlich, politisch, medizinisch –
entzieht sich der Mitverantwortung.
Während Männer* daneben stehen:
unwissend, unbehelligt –
aber nicht unbeteiligt !
Die Diskussion um den Schwangerschaftsabbruch macht deutlich, dass Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern noch immer kein erreichtes Ziel ist – weder im Gesetz, im Alltag, im Bildungssystem noch in der öffentlichen Meinungsbildung.
Der rechtliche Fokus, insbesondere im Zusammenhang mit Paragraf 218, richtet sich fast ausschliesslich auf den Körper von Frauen und Ärztinnen – als ob allein sie für Schwangerschaft und deren Abbruch verantwortlich seien. Diese einseitige Perspektive spiegelt nicht nur gesellschaftliche Machtungleichgewichte wider, sondern verstärkt sie auch. Männer bleiben in der Debatte weitgehend unsichtbar, obwohl auch sie Verantwortung für Verhütung, Partnerschaft und Elternschaft tragen.
Auch im Bildungssystem zeigt sich diese Schieflage: Sexualaufklärung reduziert sich häufig auf biologische Abläufe. Ethische, soziale oder geschlechtersensible Fragen sowie die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten werden kaum behandelt.
Diese strukturelle Ungleichheit hat konkrete Folgen. Betroffene tragen allein die Verantwortung – rechtlich, emotional und sozial. Sie werden mit Schuld, Scham oder moralischer Verurteilung konfrontiert, während die Mitverantwortung anderer ausgeblendet bleibt. Gleichzeitig fehlt es an Raum für eine offene gesellschaftliche Auseinandersetzung, in der auch Fragen nach Gerechtigkeit, Fürsorge und geteilter Verantwortung gestellt werden könnten.
Künstlerische Praxis
Jedes dieser Bilder ist eine inszenierte Fotografie, in der symbolische Requisiten und ästhetische Entscheidungen gezielt eingesetzt werden, um bestehende visuelle Codes zu dekonstruieren. Dabei werden Elemente aus Werbung, medizinischer Bildsprache und religiöser Symbolik aufgegriffen und neu kontextualisiert.
Ein Spekulum mit Glitzersteinen, eine Papaya in einem OP-Setting oder eine Madonna Figur inmitten “fallender Babys” sind Beispiele für die Bildsprache, die Schönheit und Schmerz, Verführung und Ernsthaftigkeit in sich vereint. Die Technik der Studiofotografie erlaubt dabei eine kontrollierte, klare Inszenierung, die dennoch Raum für Interpretationen lässt.Die Postproduktion bleibt bewusst minimal, um die Authentizität und Unmittelbarkeit der Szenen zu bewahren und den Fokus auf die fotografische Umsetzung statt auf digitale Nachbearbeitung zu lenken.
Die Entscheidung für dieses visuelle Konzept entstand aus dem Wunsch, Irritation und Reflexion zu erzeugen – nicht um zu schockieren, sondern um einen emotionalen Zugang zum Thema zu ermöglichen, ohne dabei individuelle Gefühle oder Gesichter zu instrumentalisieren. Von Beginn an war es mir wichtig, keine identifizierbaren Personen zu zeigen. Stattdessen arbeite ich ausschließlich mit anonymisierten Körperausschnitten – Fragmenten, die den Blick nicht auf die individuelle Geschichte lenken, sondern Raum für allgemeine, gesellschaftliche Auseinandersetzung lassen.
Ich halte diese Reduktion für notwendig, weil das Thema Schwangerschaftsabbruch bereits tief emotional aufgeladen ist. Diese Emotionalität ist jedoch keine neutrale Tatsache, sondern das Ergebnis politischer, religiöser und kultureller Zuschreibungen. In vielen Kontexten – etwa in Gesetzgebung, medizinischer Praxis oder religiöser Moral – führt diese Aufladung dazu, dass sachliche Debatten erschwert oder sogar verhindert werden. Dabei sollte es gerade in diesen Bereichen nicht um Gefühle oder persönliche Bewertungen gehen, sondern um klare, faktenbasierte Entscheidungen und menschenrechtliche Prinzipien.
Titel
Yes baby! Oh baby... No baby.
Der Titel spiegelt die verschiedenen Phasen wider, die von der Entstehung einer Schwangerschaft bis zur Entscheidungsfindung durchlaufen werden. Er wirkt bewusst plakativ und mag für manche nicht sofort dem entsprechen, was sie mit dem Thema verbinden – genau damit spielt meine Auseinandersetzung.
„Yes baby!“ steht für den Moment der Zeugung: Einvernehmlichkeit, Lust, Befriedigung und Freude zwischen mindestens zwei Personen, die sich entschieden haben, eine sehr intime Situation miteinander zu teilen.
Da kein Verhütungsmittel hundertprozentig sicher ist – wie bereits in der Einleitung erläutert – folgt der zweite Teil des Titels: „Oh baby...“. Er beschreibt das ungeplante Schwangerwerden und die vielen Gedanken und Überlegungen, die danach folgen. Im Idealfall setzen sich die Betroffenen gemeinsam mit der Situation auseinander, wägen Optionen ab und überlegen, welche Auswirkungen die verschiedenen Entscheidungen auf ihr Leben haben könnten.
Der letzte Teil, „No baby.“, steht für die klare Entscheidung gegen eine Schwangerschaft – das Kernstück meiner Arbeit. Der Punkt am Ende ist mir dabei symbolisch wichtig: Er steht dafür, dass diese Entscheidung respektiert werden muss und danach keine weiteren Institutionen oder Gesetze eingreifen sollten. Das Einzige, was danach wichtig ist, ist Unterstützung durch Freund*innen, Familie und den sozialen Kreis – ohne Verurteilung, mit offenem Ohr und Begleitung. Punkt.